Dschuang Dsi (Zhuangzi) lebte im 4. Jahrhundert v. Chr. und stammte aus dem Ort Mong in Südwest-Shantung. Er war Beamter in Tsi Yüan, gab diese Stellung jedoch auf und führte ein bewusst einfaches, unabhängiges Leben. Er war verheiratet, nicht asketisch abgeschieden, und trotz bescheidener äußerer Umstände geistig außerordentlich gebildet. Zeitlich stand er zwischen den Herrschern Hui von Liang und Süan von Tsi. Sein Werk, das später unter seinem Namen gesammelt wurde, bestand zu großen Teilen aus Gleichnissen, Dialogen und anonymen oder fiktiven Erzählungen.
Ein historisch gesichertes Lebensbild ist kaum möglich: Viele Anekdoten sind spätere Erfindungen, und auch die überlieferten biografischen Details sind unsicher. Dennoch tritt Dschuang Dsi aus seinen Texten selbst so lebendig hervor, dass äußere Einzelheiten kaum ins Gewicht fallen. Er war ein scharfer Denker, ein origineller Stilist und ein ironischer Kritiker seiner Zeit. Seine Beziehung zu den Konfuzianern war distanziert; er bewunderte die Leistung Konfuzius’ geistig, wandte sich aber entschieden gegen die spätere Erstarrung der konfuzianischen Schulen, die traditionelle Autoritäten überbetonten und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen vernachlässigten.
Philosophisch steht Dschuang Dsi für eine radikal subjektfreie Innerlichkeit. Er wollte keine weltanschauliche Lehre fixieren, sondern eine Bewegung im Denken auslösen, die zur Unmittelbarkeit des Erlebens führt. Der zentrale Begriff seiner Lehre ist der SINN (Dao), verstanden nicht als kosmische Regel, sondern als stilles Zentrum, in dem Denken und Wissen zur Ruhe kommen. Erkenntnis ist bei ihm nicht begrifflich zu fassen; jeder Ausdruck ist notwendig ungenau. Daher arbeitet er mit Paradoxien, Verfremdungen, scheinbar absurden Bildern, ironischen Dialogen und poetischen Gleichnissen. Er gilt als Meister des paradoxen Denkens, ähnlich den griechischen Sophisten, aber mit einer deutlichen Orientierung auf innere Freiheit.
Dschuang Dsis Mystik ist aktiv und aufwärtsstrebend: Es geht um ein Befreien vom Ich, um ein Hineinwachsen in das Große Eine. Seine Texte schildern diesen Zustand oft in ekstatischen Bildern. Das Zurücktreten des Körperlichen und die Lösung vom Gewöhnlichen wird als „Verzückung“ beschrieben, nicht als Weltflucht, sondern als innere Souveränität. Dieser Weg ist jedoch nicht auf Dauer angelegtes Verzichten, sondern eine Haltung: frei von Zweckdenken, frei von Anerkennungssuche, frei von Wertungen.
Im Vergleich zu Laozi betont Dschuang Dsi stärker die geistige Bewegung und die Kraft des intuitiven Verstehens. Im Verhältnis zu Liä Dsi und anderen Taoisten seiner Zeit bleibt er individuell und unabhängig. Zwar stehen seine Lehren im Kontext der taoistischen Tradition, doch geht seine Literatur weit über philosophische Systematik hinaus. Er war zugleich Denker, Dichter und Beobachter menschlicher Schwächen.
In seinen Schriften zeigt Dschuang Dsi eine souveräne Freiheit, die jenseits von Welt und Zweckmäßigkeit wurzelt. Diese Freiheit lässt das Individuum mit dem Gang des Weltgeschehens eins werden: Wer innerlich frei ist, drängt sich nicht auf, achtet die Freiheit anderer, handelt ohne Zwang und erträgt das Leben ohne Furcht vor Tod und Verlust. So führt seine Lehre zur Überwindung des Ichs und zum Einverständnis mit der Wirklichkeit, wie sie ist. Seine Texte, oft spielerisch und paradox, gehören zu den bedeutendsten Meisterwerken der chinesischen Philosophie und Literatur.